Freitag, 2. September 2011
Eigentlich...
Hm, dieses Wort könnte man hier ziemlich oft benutzen: Eigentlich sollten wir schon verheiratet sein, eigentlich sollte ich gerade im Zug nach Beijing sitzen... Warum tue ich das nicht, werden sich jetzt einige vielleicht fragen. Also, machen wir es mal etwas spannend.

Donnerstag Abend: Qiwei und ich wurden zum Abendessen von einigen Bekannten zum Essen eingeladen. Als sie hörten, dass ich mit dem Nachtzug nach Beijing fahren will und da ich von Dashiqiao (大石桥), einem Vorort von Yingkou losfahren sollte, haben sie darauf bestanden uns zu fahren. Ok, sparen wir uns halt das Geld fürs Taxi, auch gut.

Um 22:15 Uhr wurden wir abgeholt. Mein Zug sollte um 00:03 Uhr fahren. Lieber mal etwas früher losfahren, als zu spät. Gottseidank... Denn kaum waren wir fast in Dashiqiao angekommen, kamen wir in einen LKW-Stau. Ich finde es ja schon beängstigend auf der deutschen Autobahn zwischen zwei LKWs festzustecken, aber das hier hatte eine ganz andere Dimension. Es ist nacht, es ist dunkel, wir stehen irgendwo auf einer Landstraße und um uns herum stehen vorne, hinten und auf beiden Seiten LKWs und zwar ohne den aus Deutschland eventuell gewohnten Sicherheitsabstand. Ich könnte denen ohne Probleme vom Fenster aus ohne mich groß hinauszubeugen die Reifen wechseln, so ein Abstand ist das. Unser Fahrer weiß natürlich Bescheid über die aktuelle Lage und meint, dass vorne die Straße gemacht wird und wir deswegen alle nach links abbiegen müssen. Links ist allerdings ein Bahnübergang und es fahren, wie ich später feststelle, im Minutentakt Güterzüge durch.

Wir stehen und stehen da also... und die Zeit läuft. Um 23:15 Uhr beschließt Qiwei auszusteigen, zum Bahnübergang zu laufen und mit irgendjemandem mitzufahren, der uns vielleicht zum Bahnhof mitnehmen kann. Gesagt, getan. Wir sind also mitten in der Nacht zwischen all diesen LKWs durchgelaufen, sind zum nicht mehr weit entfernten Bahnübergang und haben jemanden gefragt, ob er uns mitnehmen kann. Ich glaube, er hatte eigentlich überhaupt keine Lust, irgendwelche Leute durch die Gegend zu kutschieren, aber wer kann schon der Versuchung wiederstehen, eine Ausländerin im eigenen Auto zu haben?! Er nahm uns drei dann mit, Qiwei, mich und unseren Fahrer. Im Auto blieb die Cousine des Fahrers. Sie sollte dann zum Bahnhof nachkommen und die anderen beiden dann wieder nach Yingkou mitnehmen.

Endlich in Dashiqiao angekommen, haben wir uns irgendwo absetzen lassen und sind das letzte Stück zum Bahnhof mit dem Taxi gefahren.

Wer jetzt denkt, ich bin nicht in Beijing, weil ich meinen Zug verpasst hätte, der liegt falsch. Wir hätten den Zug verpasst, wenn Qiwei nicht diese grandiose Idee gehabt hätte, mit jemandem mitzufahren. Aber wir haben es dann tatsächlich geschafft um 23:30 Uhr am Bahnhof zu sein.

Am Bahnhof angekommen, musste ich mich erstmal beruhigen, mein Puls raste wie verrückt und mir war schlecht, wegen dem ganzen Stress, dass wir es nicht schaffen könnten. Und es ist ja eigentlich ein wichtiger Grund, aus dem ich nach Beijing fahren will. Ich will doch meine Unterlagen vervollständigen.

Nachdem wir ein bisschen gewartet haben, konnte man um 00:01 einchecken. Funktioniert am chinesischen Bahnhof wie am Flughafen. Man kommt auch nur ins Innere des Bahnhofs, wenn man ein Ticket hat, wenn einen jemand begleitet, gibt es extra für diesen Zweck Besuchertickets (kosten 1 RMB). Ich denke mal, der Grund ist, dass man vermeiden will, dass die Bahnhöfe noch voller sind als sie es jetzt eh schon sind. Wir gehen also zum Schalter, lassen erst alle anderen rein, ich habe mich schon fast vom Qiwei verabschiedet. Da meint die Frau am Schalter: „Das Ticket ist ungültig!“ WAAAAAS????????????? Wie ungültig? Tja, hätten wir uns das Ticket vorher genau angeschaut, hätten wir auch feststellen können, dass das Datum falsch war. Für uns war ja noch Donnerstag, der 1. September, so stand es auch drauf. Aber richtig wäre ja gewesen Freitag, 2. September, da die Fahrzeit ja um 00:03 war. Alles diskutieren half nichts, die Frau hatte natürlich recht. Das Ticket zurückgeben oder umtauschen konnte man auch nicht mehr. Ungültig ist ungültig. Selbst schuld, wenn man die Fahrt am Vortag nicht angetreten ist. Wir gaben also nur das Rückfahrticket zurück (für 80% des Ursprungspreises, 20% sind Bearbeitungsgebühr).

In der Zwischenzeit war auch unsere Fahrerin schon zum Bahnhof gekommen. Ich hätte den Zug mit unserem Auto also tatsächlich ganz knapp verpasst. Ich wusste jetzt nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll… Qiwei fragte mich später, warum ich plötzlich so gute Laune hätte. Ich konnte mich einfach nicht mehr darüber aufregen. Wir stiegen also ins Auto und fuhren zurück nach Yingkou. Schöner Ausflug das Ganze. Drei Stunden völlig umsonst… Herrlich.

Ach ja, eine Sache muss noch geklärt werden. Warum hatte ich ein falsches Ticket? Also, ganz von vorne: In China fängt momentan die Uni an, d. h. man kommt sehr schwer an irgendwelche Tickets ran, weil halb China momentan unterwegs ist, vor allem in die großen Städte. Da wir von Shenyang aus nicht an Tickets gekommen sind, hat Qiwei über Bekanntschaften versucht, ein Ticket für mich zu bekommen. Eine Krankenschwester aus seiner Abteilung konnte dann irgendwie helfen. Sie sollte für mich ein Ticket für den Nachtzug von DO auf FR kaufen und für die Rückfahrt eines von FR auf SA. Beim Kauf hat dann wohl eine gewisse Person nicht auf das Datum geachtet, wir dann später natürlich auch nicht, wer kommt schon auf die Idee, dass die Frau ein Ticket für Mittwochnacht statt Donnerstagnacht gekauft hat. Und so kam das Ganze dann ins Rollen.

Was solls, ich werde mich trotz all dieser Hindernisse nicht davon abbringen lassen zu heiraten, und wenn die Welt untergehen sollte, wir werden heiraten… ^^

Permalink (4 Kommentare)   Kommentieren